Einmal im Jahr führt der amerikanische Verkehrsinformationsanbieter INRIX eine Studie zur weltweiten Stausituation für Großstädte durch. Die Ergebnisse der Verkehrsbelastung veröffentlicht INRIX in seiner Traffic Scorecard.
Die neueste INRIX Traffic Scorecard 2018 beinhaltet die Verkehrsdaten von mehr als 200 Städten und 38 Ländern. Im Vorjahr waren es noch 1.064 Städte aus 38 Ländern, was die damalige Stauanalyse zu der weltweit umfangreichsten machte.
Andere Methodik, andere Rankings
Für 2018 konzentriert sich INRIX nicht auf die Masse an Städten, sondern auf eine neue Analyse-Methodik mit anderen Kriterien. Anhand der neuen Kriterien konnte zum Beispiel die Durchschnittsfahrtgeschwindigkeit zur Hauptverkehrszeit in den Innenstädten berechnet werden. Allerdings kann die 2018 Traffic Scorecard nicht mehr direkt mit der 2017 Traffic Scorecard verglichen werden. So fällt gleich auf, dass die diesjährigen Rankings deutlich von den Vorjahren abweichen und der durchschnittliche Zeitverlust zu 2017 erheblich angestiegen ist.
In früheren Scorecards wurde die im Stau verbrachte Wartezeit pro Pendler erfasst, während die 2018 Scorecard den Zeitverlust wegen dichtem Verkehr bewertet. Dabei bezieht die Studie auch den Schweregrad des Staus und die Haupt- und Nebenverkehrszeiten ein. Der Zeitverlust entspricht demnach der zusätzlichen Fahrtdauer, die man durch dichten Verkehr in Kauf nehmen muss.
Deutschland: Berlin verdrängt München vom Platz 1
Laut der 2018 Global Traffic Scorecard verliert jeder Berliner Autofahrer jährlich 154 Stunden im Stau. Das sind 6,4 Tage. Damit ist Berlin die neue Stauhauptstadt, dicht gefolgt von München, dem alten Spitzenreiter der vergangenen zwei Jahre, und Hamburg auf den Plätzen 2 und 3. Letztere verbuchen jährlich 140 beziehungsweise 139 Stunden (5,8 Tage) Zeitverlust durch Stau. Weiterhin ergab die Studie, dass Autos in Berlin, München, Frankfurt und Leipzig mit 17,6 km/h am langsamsten rollten. Sie sind die langsamsten Städte Deutschlands.
Stau ist nicht nur lästig, sondern auch teuer. Immer noch sehr hoch berechnet INRIX die direkten Staukosten pro Fahrer (verschwendete Zeit und Treibstoffe). Somit erreicht die Stadt Berlin laut INRIX-Studie eine finanzielle Belastung von 1,7 Milliarden EUR für das vergangene Jahr. Das entspricht 1.340 EUR pro Fahrer. München reiht sich dahinter mit 1.218 EUR und Hamburg mit 1.212 EUR. Auf Deutschland gerechnet, ergeben sich direkte sowie indirekte Kosten von 5,1 Milliarden EUR für das Land. Letztere betreffen Unternehmen, die ihre Verluste durch Stau in Form von höheren Preisen an die privaten Haushalte umlenken.
Gute Nachrichten
Trotz neuem Staukönig für Deutschland und hoher anfallender Stauausgaben pro Kopf, gibt es erfreuliche Meldungen. So hat sich im deutschlandweiten Durchschnitt das Verkehrsaufkommen um mehr als 6 Prozent reduziert. Insbesondere Stuttgart konnte den Zeitverlust durch Stau um 11 Prozent verringern (siehe Tabelle). Ebenso konnten Nürnberg und Düsseldorf die Stauzeit um 11 bzw. 9 Prozent minimieren. Ob und welche Auswirkungen die Stuttgarter Umweltzone auf die Stauergebnisse im nächsten Jahr haben wird, bleibt abzuwarten. Bis dahin können sich nicht nur Stuttgarter mit der POIbase Dieselfahrverbote App behelfen.
Am dichtesten befahrene Strecken Deutschlands
Insgesamt liegen 4 der 10 verkehrsdichtesten Straßenabschnitte Deutschlands in Berlin und 3 in Hamburg. Die Strecke mit der höchsten Verkehrsdichte geht vom Berliner Tempelhof bis zum Halleschen Tor über die Bundesstraße 96. Jeden Berliner kostet dieser Straßenabschnitt täglich bis zu 7 Minuten und jährlich sogar bis zu 28 Stunden. In Hamburg verspäten sich Autofahrer regelmäßig bis zu 6 Minuten monatlich und 23 Stunden jährlich, wenn sie von der „Hittfelder Landstraße“ zu „Bei den Mühren“ über die Bundesstraßen 4 und 75 unterwegs sind.
International: Die staureichsten Städte weltweit liegen in Europa
Im weltweiten Vergleich zählen Moskau, Istanbul, Bogotá in Kolumbien, Mexiko-Stadt und São Paulo zu den stauintensivsten Städten. Diese Metropolen tragen die höchste Verkehrsbelastung.
Berechnet man aber den Zeitverlust pro Autofahrer, ändert sich das Ranking. Dann entpuppt sich Bogotá mit 272 Stunden als Stadt mit dem höchsten Zeitverlust für Autofahrer, gefolgt von Rom, Dublin und Paris. Auch London, Mailand und Bordeaux rücken mit mehr als 200 Stunden Zeitverlust nach oben. Dagegen landet Deutschlands Stauhauptstadt Berlin im weltweiten Vergleich nur auf Platz 40, München und Hamburg sogar erst auf den Plätzen 58 und 60.
Dennoch fällt im internationalen Vergleich auf, dass die meisten Zeitverluste in europäischen Städten zu verzeichnen sind. Ein Grund dafür kann laut INRIX das Alter der Städte sein. Die Infrastruktur der europäischen Städte reicht oft bis in die römische Zeit hinein und ist mit ihren dichten Stadtkernen und engen Straßen alles andere als autogerecht.
Warum deutsche Städte im weltweiten Vergleich besser abschneiden!
Bei staubedingten Zeitverlusten schneiden Deutsche Städte im weltweiten Vergleich besser ab. Dies hängt laut INRIX damit zusammen, dass Deutschland vermehrt in Schienen- und Straßennetze sowie länger als zum Beispiel die USA oder Großbritannien in die Infrastruktur für den Fahrrad- und Fußgängerverkehr investiert hat. Zudem sieht INRIX Deutschland bei der Flächennutzungs- und Verkehrsplanung als weltweit führend an.