OpenStreetMap-Konferenz in Florenz: Werte, Daten und Entwicklungen

In Florenz trafen sich vom 19.- 21. August 2022 Teilnehmer aus aller Welt, um sich über die neuesten Entwicklungen von OpenStreetMap auszutauschen, neue Tools zu präsentieren und die Beteiligung der Community zu optimieren.
„Endlich mal wieder von Angesicht zu Angesicht“ – und jetzt auch hybrid – so konnten sich zeitweise über 600 Teilnehmer/innen bei der „SotM“ in Florenz zusammenfinden

 

„OpenStreetMap ist 1,67 Milliarden $ wert.“ Eine große Summe, aber nur eine Randnotiz auf einem Chart-Vortrag während der OpenStreetMap-Konferenz, die vom 19. bis 21. August 2022 in Florenz stattfand. Nach zwei Jahren der coronabedingten virtuellen Durchführung trafen sich über 400 Teilnehmer aus der gesamten Welt in der italienischen Traditionsstadt, um sich über den „Status der Karte“ auch einmal wieder persönlich auszutauschen.

Zum ersten Mal fand SotM (der Insiderbegriff für „State of the Map“) auch hybrid statt, somit waren zeitweise über 200 internationale Teilnehmer zusätzlich per Video und Chat dabei. Eine wunderbare Gelegenheit, um neben aktuellen Entwicklungen und neuen OSM-Projekten auch einmal Gesichter und Personen zu erleben, die hinter den zahlreichen Anwendungen stehen.

Wer steckt hinter den ganzen OpenStreetMap-Projekten? Auch die Pioniere präsentierten sich – hier Richard Fairhurst, der mit „Potlatch“ einen der ersten OSM-Editoren ins Leben rief und nun den Radroutenplaner cycle.travel betreibt

 

Die Pioniere sind noch aktiv

Offensichtlich sind noch etliche Akteure aus der Gründerzeit von OpenStreetMap weiterhin aktiv – und haben sich auf der SotM mit Diskussionen, Präsentationen und Workshops beteiligt. So etwa Frederik Ramm und Jochen Topf, die Gründer der „Geofabrik“, die bereits im Februar 2008 das erste deutschsprachige Buch über OpenStreetMap schrieben, sowie Sarah Hoffmann, die die Internetseite „Waymarked Trails“ und den OSM-Namensserver „Nominatim“ betreut.

Ein Blick auf die Sponsorenliste zeigt die Anerkennung von OpenStreetMap – sogar Google ist dabei

 

Anerkennung und sogar Sponsoring durch die Großen

Wo steht OpenStreetMap jetzt? Richard Fairhurst, OSM-Urgestein und Betreiber des bei uns leider viel zu wenig bekannten Radroutenplaners „cycle.travel“ demonstrierte eindrucksvoll die imposante Entwicklung und wachsende Anerkennung der freien Weltkarte. So hatte TomTom noch 2012 verkündet, dass man keinesfalls auf OSM-Karten setzen würde – nun ist TomTom bei der SotM als Gold-Sponsor dabei, ebenso wie Microsoft, Meta und Esri. Bei Google und Here hat es immerhin zum Silber-Sponsor gereicht.

Die unterschiedlichen „Tags“ – also Attributierungen – sind nach wie vor eine Herausforderung für Programmierer, die OSM-Daten nutzen wollen.

 

Alles schon fertig?

Wer einen Blick auf die OpenStreetMap-Karten wirft, wie sie von fast allen Outdoor-Apps und Planungsplattformen genutzt werden, mag den Eindruck erhalten, dass alles schon ziemlich perfekt „gemappt“ ist. Weit gefehlt – so das Statement von Richard Fairhurst. Gerade bei den POIs fehlen noch zahlreiche Einträge: „Da ist uns Google Maps weit voraus“, so der Brite.

Inzwischen sei es notwendig, die bisherigen Einträge auf ihre Aktualität zu überprüfen, wie es Apps wie „Street Complete“ auch schon ermöglichen. Deren Betreiber Tobias Zwick zeigte dann auch in einem eigenen Beitrag Ausblicke auf die Fortführung der beliebten Mapping-App, die sich nicht nur für Einsteiger ins Mapping eignet.

Auch der Standard-Editor „iD“ soll bald Aktualitätsprüfungen ermöglichen, das berichtete Martin Raifer in seinem Beitrag, in dem er eindrucksvoll die inzwischen zehnjährige Existenz des iD-Editors mit seinen zahlreichen Entwicklungsschritten beleuchtete.

Bei der „Every Door“ App lädt man sich die Daten des zu mappenden Gebiet auf das Smartphone herunter. Sie werden dann in verschiedenen Kategorien angezeigt, die einzelnen Daten können korrigiert und ergänzt werden

Neu – die Every Door-App

Ilya Zverev, ebenfalls kein Unbekannter in der OSM-Szene, präsentierte auf der SotM seine mit Spannung erwartete App „Every Door“, mit der er nach eigenen Angaben innerhalb von zwei Stunden die Daten von etwa 150 Geschäften in einem Einkaufszentrum seiner Heimatstadt gemappt hat.

Every Door wurde dann auch während der Konferenz fleißig heruntergeladen, ausprobiert und kommentiert. Ähnlich wie „Street Complete“ eignet sich das Tool sehr gut, um Inhalte für OpenStreetMap unterwegs zu erheben und online in die Datenbank zu übertragen. Every Door konzentriert sich allerdings auf Einzelobjekte (POIs, Häuser, Einrichtungen, Sitzbänke etc.) und stellt diese mitsamt allen relevanten Eigenschaften dar, die dann vorzugsweise vor Ort ergänzt, bestätigt oder korrigiert werden können.

 

Auf der „SotM“ präsentierten sich OSM-Projekte aus aller Welt. So hat sich beispielsweise in Ostafrika eine sehr aktive OSM-Szene mit unterschiedlichen Strukturen gebildet

 

Barrierefreies Routing

Roland Olbricht, der Betreiber des häufig genutzten AbfragetoolsOverpass api“, machte deutlich, welche Aspekte für barrierefreies Routing wichtig sind. Beispielsweise fehlen bei den meisten Wohnstraßen noch die Angabe, ob es Bürgersteige auf beiden Seiten gibt. Das ist in Großstädten fast selbstverständlich, während in kleineren Städten nach seinen Erhebungen 10–30 % der Wohnstraßen nicht beidseitig ausgestattet sind. Bei dieser Dokumentation sind schon die gängigen Apps wie StreetComplete einsetzbar – und das sollte auch genutzt werden.

 

Was ist die beste Mapping-App? Bei einem Projekt wurden Smartphone-Apps wie StreetComplete, Organic Maps, OsmAnd und Vespucci miteinander verglichen

 

Besucherlenkung in USA und in Europa

Maggie Cawley von OSM USA berichtete über Besucherlenkung in amerikanischen Nationalparks und Kooperationen von OSM USA mit unterschiedlichen Institutionen zur Erarbeitung von Lösungsansätzen. Die intensive Diskussion dazu machte allerdings deutlich, dass wir in Europa offensichtlich schon ein paar Schritte weiter sind – dazu zählen Dialoge mit Anbietern wie komoot, Outdooractive (die aber ebenfalls noch deutlich ausbaufähig sind) und die ersten Modelle, wobei in hiesigen Nationalparks inzwischen auch Mitarbeiter für den aktiven Dialog mit der Community diese Outdoor-Portale eingesetzt werden.

Der Eintrag von Zugangsbeschränkungen in OpenStreetMap, deren Dokumentation in Projekten wie „Digitize the Planet“ sowie deren Umsetzung beim Routing in Plattformen wie z.B. komoot wurden dann auch in der Diskussion erwähnt.

 

Die OSM-Foundation betreibt derzeit 55 Server – und die Hintergründe dazu lieferte Operator Grant Slater

 

Füllhorn und Vereinsentwicklung

Insgesamt war die Konferenz ein Füllhorn zahlreicher Vorträge und Präsentationen, die zeitnah aufbereitet und veröffentlicht werden sollen. Das breite Themenspektrum reichte von datenbanktechnischen Optimierungen über Mapping in Krisengebieten bis hin zu Bildungsprojekten und Indoor-Tagging.

Brandon Liu stellte mit „FlatGeobuf“ ein neues Datenformat vor, und Grant Slater, dem ersten hauptamtlichen Mitarbeiter der OpenStreetMap-Foundation (OSMF), gewährte einen Blick hinter die datentechnischen Kulissen des OpenStreetMap-Projektes.

So erfuhren die Teilnehmer, dass sich die OSM-Serverzentrale in Amsterdam befindet, das Backup-Center in Dublin, und dass man sich momentan sehr stark mit Vektorkarten beschäftigt. Schließlich stellte sich der Vorstand der OSMF (immerhin waren fünf von sieben Mitgliedern anwesend) einer ausführlichen Frage- und Antwortrunde dem Publikum.

 

So schön kann OpenStreetMap sein: Die „Straßenraumkarte Neukölln“ von OpenStreetMap Berlin

 

Neues Datenmodell notwendig

Ein Schwerpunkt galt auch der Zukunft von OpenStreetMap. So stellte Jochen Topf die Ergebnisse seiner Untersuchung über Entwicklungspotenziale von OpenStreetMap vor, mit dem Ergebnis, dass ein neues Datenmodell für OpenStreetMap dringend notwendig sei. Idealerweise sollten die Mapper von der Umsetzung dieses Modells aber kaum etwas merken.

 

WIe hält man die Qualität von OpenStreetMap aufrecht – und wie lassen sich die Mapper nachhaltig motivieren? „Mappen muss nach wie vor Freude bereiten“ – das hörte man immer wieder auf der SotM

 

Wirkliche Werte

Ach ja: Wie der zitierte Journalist auf die Summe von 1,67 Milliarden US-Dollar als Bewertung für OpenStreetMap kam, wurde nicht weiter ausgeführt. Auf der Konferenz traten andere Werte vor: nach wie vor die große Begeisterung, die weltweite Karte immer weiter zu entwickeln, aber auch das Bewusstsein, sich in einer kommerziellen Umgebung zu befinden – wobei die großen Konzerne den wirklichen Wert längst erkannt haben, während vor Ort Behörden, Verbände und Politiker dies noch längst nicht immer einschätzen können. Aber OpenStreetMap ist auch gerade erst 18 Jahre alt geworden.

So schloss die Konferenz mit den Worten von Ilya Zverev: „Kein virtuelles Tool kann drei Tage persönliche Begegnung ersetzen.“ Dass auch Mitteleuropa deutliche Fortschritte macht, zeigt das Beispiel Österreich: Erst mit dieser Konferenz hat sich ein „Local Chapter“ – in diesem Fall also eine OSM-Landesgruppe – gegründet.

 

(Alle Bilder stammen aus den Präsentationen der SotM, die in Kürze online gestellt werden)

 

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