„Bleibt drin!“ Klar – das ist sicherlich die beste epidemiologische Voraussetzung, um Corona einzudämmen. Nur – viele Menschen bleiben nicht zu Hause, sondern bevölkern die Erholungsgebiete.
Der drohende Lagerkoller, aber vielleicht noch vielmehr das wunderschöne, sonnige Wetter, das uns in diesen Tagen beschert wird, locken nach draußen. Wenn der tägliche Kampf ums Klopapier erledigt ist, kann man doch einmal ein Spaziergang wagen, eine Joggingrunde drehen oder einen kleinen Fahrradausflug machen, und das ist doch auch eigentlich ganz wichtig zur Stärkung des eigenen Immunsystems, oder? Die Innenstädte sind nicht mehr angesagt, Geschäfte und Restaurants sind ohnehin dicht, und irgendwann fällt einem das Home Office auch auf den zunehmend digital beanspruchten Kopf. Deutschlands Naherholungsgebiete scheinen gerade jetzt mehr frequentiert zu werden – das ist zumindest die ganz persönliche Beobachtung des Autors dieser Zeilen und der Eindruck nach Gesprächen mit Freunden und Bekannten (Update 30.3.2020: diese Beobachtungen wurden jetzt durch einen Beitrag auf tagesschau.de untermauert).
Das Problem ist nur: Wenn sich alle draußen auf denselben Wegen drängeln, steigt wieder die Gefahr der Ansteckung, und damit droht eine Verschärfung der Ausgangsregelungen. Noch können sich die deutschen Freiluft-Fans glücklich schätzen, denn viele Nachbarländer haben Outdoor-Sport und Spaziergänge bereits wesentlich drastischer eingeschränkt. Und um es ganz klar zu sagen: Dieser Beitrag soll NICHT dazu aufrufen, sich noch mehr im Freien zu bewegen oder die offiziellen Ratschläge und Weisungen zu missachten. Wir hoffen vielmehr, einige Anregungen geben zu können, damit sich der Draußenerholungsverkehr etwas entflechten kann und das Ansteckungsrisiko minimiert wird. Aber natürlich nur im legalen Rahmen und unter Berücksichtigung der gerade aktuellen Erkenntnisse, die sich tagtäglich ändern können.
Corona-korrekte Ausflüge?
Auch im Erholungsverkehr scheint ein von Corona geprägtes Bewegungs- und Begegnungsbewusstsein angekommen zu sein. Spaziergänger umgehen sich mit Abstand. Manche drehen den Kopf weg, wenn man sich nähert – bei genügender Entfernung wäre ein solidarischer Gruß aber doch eigentlich gerade willkommen. Vielleicht ist es sinnvoll, einige spezifische Bewegungshinweise zu entwickeln und entsprechend an die Benutzergruppen heranzutragen. Wer sich als schnellerer Verkehrsteilnehmer von hinten an andere Menschen nähert, sei es als Jogger, Radler oder Reiter, sollte unbedingt auf sich aufmerksam machen. Wunschvision: Mountainbiker und Rennradfahrer statten sich jetzt mit der ungeliebten Klingel aus, um durch ein freundliches „Ping“ den notwendigen Abstand einzuleiten. Seien wir doch mal ehrlich – das wäre auch in Nicht-Corona-Zeiten durchaus sinnvoll. Der Buff könnte als Tröpfchenschleuderschutz hochgezogen werden – eine solche „Maskierung“ zeigt momentan Respekt vor den Anderen und hilft obendrein, sich selbst nicht dauernd ins Gesicht zu fassen.
Outdoor-Sportlern wird geraten, sich nicht auf unfallträchtige Hochleistungstrainings (schwierige Trails, schnelle Runden) zu begeben, sondern auf sichereres Konditionstraining umzuschalten. Denn man möchte erstens nicht die Rettungskräfte zusätzlich belasten und zweites auch nicht in ein Covid-19-Krankenhaus eingeliefert werden.
Problem: der Leithammel fehlt
Corona beschert vorher nie gekannte Situationen. Radler und Wanderer, die bislang gerne in Gruppen unterwegs waren, haben nun niemanden mehr, der ihnen Touren ausarbeitet und dem sie folgen können. Vermutlich werden sie Strecken aussuchen, die sie sowieso kennen oder bei denen die Orientierung leicht fällt – etwa an Gewässern entlang. Doch dort laufen und fahren dann alle. Gerade diese Nutzer sind jetzt wahrscheinlich für Anleitungen dankbar, wie man sicher und einfach Ausflüge durchführen kann.
Apps und Routenplaner: Routingkriterien umkehren
Sich der gewohnten Smartphone-Navigation anzuvertrauen, erscheint in Corona-Zeiten eher suboptimal. Denn die gängigen Outdoor-Apps wie komoot oder Strava schlagen bevorzugt frequentierte Strecken vor: Je mehr Nutzer dort unterwegs sind, desto attraktiver erscheinen sie der Routingsoftware. In ähnlicher Weise funktioniert auch das „Popularity-Routing“ auf Garmin-GPS-Geräten. In Corona-Zeiten ist aber genau das Gegenteil angesagt: Nutzer dort entlang zu führen, wo sich möglichst wenige andere Menschen bewegen. Bereits vor ein paar Tagen haben wir uns an die komoot-Chefetage gewendet und dort den Vorschlag gemacht, ein spezielles Corona-angemessenes Routing zu entwickeln. Gerade komoot – das nach Erkenntnissen der ADFC-Radreiseanalyse von mehr als 40 % der Radtouristen verwendet wird – würde sich dabei auch für ein freiwilliges Live-Tracking anbieten. So könnten komoot-Nutzer schon im Voraus sehen, ob ihnen jemand entgegenkommt. Bislang kam noch keine Antwort.
(Update 15.5.2020: auch komoot widmet sich inzwischen dieser Thematik, und mit Markus Hallermann, Gründer und Geschäftsführer von komoot, wird es am 26. Mai 2020 ein Webinar zum Thema „Besucherlenkung mit komoot und OpenStreetMap“ geben)
Planen ist besser als spontanes Navigieren
Solange die App-Anbieter kein angemessenes Routing ermöglichen, erscheint es also besser, Ausflüge am PC zu Hause vorzubereiten. Dazu dienen beispielsweise die landesbezogenen Radroutenplaner im Internet, wie sie viele Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen etc. anbieten. Einen Wanderroutenplaner gibt es leider nur von Nordrhein-Westfalen. Soweit uns bekannt ist, bieten aber auch diese Planungstools momentan keine Hilfen für die aktuelle Situation an. Und aus Mitarbeiterkreisen einzelner Landesradroutenplaner verlautete auch, dass dies kurzfristig nicht geplant sei. Dafür sollte man natürlich auch Verständnis zeigen, denn die Programmierung neuer Features erfolgt nicht eben mal von heute auf morgen.
Touren-Töpfe: regionale Anbieter und Touristiker sind gefragt
Auch bei den Tourenportalen wie Outdooractive, Bikemap.net oder radkompass.de sucht man momentan Corona-taugliche Ausflüge eher vergebens. Vielleicht kommt genau jetzt den Tourismus-Destinationen eine initiierende Rolle zu. Die ortskundigen Touristiker könnten jetzt verstärkt diejenigen Wege empfehlen, die erfahrungsgemäß nicht so häufig frequentiert werden. Sie könnten spezielle Tourenvorschläge erarbeiten und bereitstellen, dazu auch online beraten. Ebenso könnten sich private regionale Tourenportale engagieren – im Gegensatz zu den großen Portalen wie Outdooractive, AllTrails, komoot und Co erscheint es hier wesentlich leichter, eine entsprechende Qualität und Aktualität vorzuhalten. Regionale Portale haben nicht selten eine Nutzer-Community, die beim Auffinden, Kommentieren und Verbessern von Angeboten sehr schnell reagieren kann. Besonders hoher Bedarf wird wahrscheinlich nach kürzeren Touren in den Verdichtungsräumen bestehen: kurze Anreise, kurze Touren, trotzdem erholsam. Von den großen Portalen hat zumindest Outdooractive schon reagiert – mit umfassenden Hinweisen für Aktivitäten in Corona-Zeiten, auch für Familien, oder auch zur Stärkung des Immunsystems.
Plan „B“: weniger attraktive Wege nutzen….
Es bleibt die Frage, wie man selbst geeignete Touren planen kann. Kennt man die Wegenetze seiner Region, kann man sich mit den üblichen Planungstools wie den Internetportalen von komoot, Outdooractive, Alltrails oder offline mit Garmin BaseCamp, Quo VadisX etc. digitale Karten auf den Schirm holen, eine Strecke zusammenklicken und sich die auf sein Smartphone oder GPS-Gerät übertragen. Aus unserer Sicht eignet sich das Online-Tool BRouter in besonderer Weise: Es ist kostenlos sowie ohne Registrierung nutzbar, besitzt schon jetzt Corona-geeignete Routingfunktionen und kann individuell konfiguriert werden.
Bei BRouter (übrigens auch bei AllTrails und den Premium-Versionen von komoot und Outdooractive, dort allerdings nur nach Registrierung oder Bezahlung) kann man sich nämlich die ausgeschilderten Rad- und Wanderrouten als einzelne Layer einblenden lassen. Somit erscheinen auf einen Schlag zahlreiche Alternativen zu den Radfern- und Hauptwanderwegen, die man wahrscheinlich noch nicht alle kennt, und auf denen man sich mithilfe des entsprechenden Routingprofils (z.B. „Trekkingrad“ oder „Wandern“) in ein paar Minuten einen geeigneten Ausflug zusammenklicken kann. Fazit: die „B“-Wege nutzen.
…oder sogar abseits der beschilderten Strecken planen
Wer ausgeschilderte Radrouten möglichst vermeiden will, sollte das BRouter-Profil „Trekkingrad (ignoriere Radrouten)“ ausprobieren. Wie der Name vermuten lässt, werden hierbei trekkingradtaugliche Verbindungen herausgesucht, aber beschilderte Wege möglichst vermieden. Nach ersten Versuchen in den naheliegenden Waldregionen funktioniert dies unserer Meinung nach erstaunlich gut, wird aber mit Sicherheit von der Qualität der jeweiligen OpenStreetMap-Daten (OSM) abhängig sein. Denn wie viele Outdoorrouting-Programme nutzt auch BRouter die OSM-Daten zur Streckenberechnung – und bekanntlich sind nicht in allen Regionen ausgeschilderte Wege, Privatwege oder Wegequalitäten ausreichend hinterlegt. Auf jeden Fall sind diese Planungen mit einem deutlich höheren Risiko des Scheiterns verbunden, denn bei ausgeschilderten Strecken darf man eher davon ausgehen, dass diese Strecken legal und durchgängig befahrbar sind. Aber selbst hierfür gibt es bei den besten Routenplanern keine Gewähr – Wege sind zuweilen einfach mal gesperrt.
Leider gibt es bei BRouter kein ähnliches Profil für Wanderstrecken. Man kann sich zwar ein eigenes Routingprofil zusammenstellen, aber das ist sehr kompliziert und nur etwas für Technik-Nerds. Und: diese Variante ist nur etwas für Menschen, die sich mit GPS-Gerät oder Smartphone-Navigation gut auskennen.
Corona-Routingkriterien: langweilig ist jetzt Trumpf
Wie könnte also ein Corona-angemessenes Routing aussehen? Als erstes sollten wie schon erwähnt die stark frequentierten Strecken gemieden werden, vor allem Rad- und Wanderrouten an Gewässern, durch städtische Parks und Grünanlagen. Breite Wege sind zu bevorzugen, denn dort kann man sich mit Abstand begegnen, schmale Wege werden zudem gerne von Mountainbikern befahren. Auf asphaltierten Wegen ist auch mit Rennradlern zu rechnen – also besser nichtasphaltierte Wege nutzen. Somit erhalten die ungeliebten „Forstautobahnen“ – also die breiten, befestigten, aber nicht asphaltierten Waldwege, die eigentlich als Zuwegung für schwere Forstarbeiten geplant sind und bei Wanderen sowie Mountainbikern als langweilig gelten, in Corona-Zeiten neue Wertigkeit. Nicht zuletzt bieten sie eine bessere Sicht zum nächsten Nutzer.
Off the beaten track
Dieser Beitrag entsteht zu einem Zeitpunkt, zu dem in Deutschland und vor allem in den USA die Ansteckungs- und Todesfälle noch zunehmen. Immerhin hat China gerade die Grenzen zu seiner Provinzhauptstadt Wuhan wieder geöffnet.
Ganz wichtig ist uns: Er beruht nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen oder Studien, sondern auf zahlreichen Gesprächen und persönlichen Beobachtungen. Für Kommentare, Richtigstellungen, Ergänzungen sind wir daher sehr dankbar! Wir sind gespannt auf alle aktuellen Angebote, auf die wir auch gerne im Rahmen unserer Möglichkeiten hinweisen werden.
Bleibt zu hoffen, dass dieser Beitrag baldmöglichst keine Bedeutung mehr hat. Vielleicht kann er später einfach den Naturnutzern dienen, die sich Streckenvorschläge abseits des Mainstreams ausarbeiten möchten.
Ein Tipp für die Entwickler:
Im Developer Portal von HERE („Location for developers“)stehen APIs und SDKs bereit, mit denen man sich für solche Fragestellungen eigene Lösungsanwendungen erstellen kann (z.B. Live Traffic, Positioning, Tracking, etc.).
https://developer.here.com/?utm_medium=dev_event&utm_source=community-germany
Es hat zwar nichts direkt mit Routing zu tun und ist vielleicht auch trivial, aber ich wollte trotzdem nochmal an die Möglichkeit erinnern, zu unbeliebten Zeiten (inzwischen ist es morgens um 6 schon fast hell) oder bei unbeliebtem Wetter nach draußen zu gehen.
Das mit dem Brouter funktioniert nicht so, wie ihr das beschreibt.
Das Profil heisst „Trekkingrad (ignore cycle routes)“. Das bedeutet nicht, dass es Radrouten vermeidet, sondern nur, dass es sie ignoriert, d.h. sie nicht bevorzugt, wie das beim normalen Terkking-bike-Profil der Fall waere.
Lieber Volker, deswegen haben wir ja auch geschrieben „möglichst vermieden“. Ich würde mich freuen, wenn das inzwischen noch eine andere Routing-Software könnte, aber noch immer halten sich die Anbieter hier bedeckt, und auch bei BRouter gibt es noch kein Wanderrouting mit der Bevorzugung Nicht-ausgewiesener Strecken. Viele Grüße, Thomas