Hintergrund der Vereinsgründung sind die zunehmenden Beschwerden von Nutzern über vermutlich illegale Strecken in Portalen wie Outdooractive und komoot. Wie Outdooractive-CEO Hartmut Wimmer in seiner Eröffnungsrede anführte, konnten die Beschwerdeführer auf Nachfrage der Portalbetreiber in vielen Fällen allerdings keine Rechtsgrundlage für die vermeintlichen Verbote anführen. Hinzu kommt, dass die örtlichen Einschränkungen vielfach für die Nutzer bei der Vorbereitung ihrer Tour nicht ersichtlich sind und Wanderer wie Mountainbiker plötzlich vor Verbotstafeln stehen – und dann natürlich wenig motiviert sind, ihre aktuelle Tour abzubrechen.
Daten gesucht
Die Portalbetreiber sehen sich in der Pflicht, wegen Haftungsansprüchen die angeblich illegalen Touren zu löschen, ohne aber selbst über die notwendigen Daten zur verfügen. So hat Outdooractive nach eigenen Angaben zwar die Flächen von etwa 26.000 natursensiblen Gebiete in seiner Datenbank verortet, aber ohne die jeweiligen Zugangsbeschränkungen. Um Lösungsansätze für eine Besucherlenkung zu ermitteln, fanden in den beiden vergangenen Jahren mehrere Round Tables statt, meist unter Federführung von Outdooractive, teils auf deren Outdooractive-Konferenzen, teils auf der ITB, unter Beteiligung anderer Portalbetreiber, Planungsbüros, Touristiker, Outdoor-Dienstleister und Naturschutzorganisationen. Die Diskussionen wurden in mehreren „White Papers“ dokumentiert und mündeten nun in der Gründung eines gemeinnützigen Vereins, dessen konstituierende Sitzung in Berlin stattfand.
Vereinsgründung gelungen
Der Verein wurde unter Anwesenheit von 14 Teilnehmern gegründet und nennt sich „Digitize the planet“. Die Webseite lautet www.digitizetheplanet.org, 1. Vorsitzender ist Hartmut Wimmer (Outdooractive), 2. Vorsitzende ist Neele Larondelle (Nationale Naturlandschaften), 3. Vorsitzender ist Mathias Behrens-Egge (BTE), 4. Vorsitzender und Kassenwart ist Tilman Sobek (Mountainbike-Tourismusforum Deutschland). Weitere Gründungsmitglieder sind Alexander Schuler (BTE), Prof. Dr. Alexander Dingeldey von der DHBW Ravensburg und David Wewetzer (Deutsche Reiterliche Vereinigung/Universität Bremen), die beiden letztgenannten zunächst als Privatpersonen. Der Vorstand kann auf bis zu sechs Personen ausgeweitet werden. Die Gemeinnützigkeit soll gewährleistet und satzungsbezogen anerkannt sein. Die reguläre Mitgliedschaft kostet zwischen 1.000,- und 2.000,- Euro.
Die erzeugten Daten sollen als OpenData jedermann zur Verfügung stehen.
In Kürze soll bereits der erste Mitarbeiter eingestellt werden, um mit der Recherche und Digitalisierung beginnen zu können.
Was sagt komoot dazu?
Während der Vereinsgründung fiel immer wieder auch ein Name: komoot. Dessen Gründer und Geschäftsführer Markus Hallermann war zwar bei einem früheren Round Table auf der ITB anwesend, nicht aber bei der Vereinsgründung in Berlin. Er stand uns jetzt für ein ausführliches Interview zur Verfügung. „In dem Moment, wo man den Leuten beibringt, die Daten in OpenStreetMap einzubringen, bin ich dabei“, so Hallermann. Die Schaffung einer eigenen OpenData-Plattform sieht er eher skeptisch. „Auch wenn die Daten nachher offen sind, heißt es noch lange nicht, dass sie später bei den meist genutzten Diensten von Anbietern wie Garmin, Bosch, Strava und eben auch uns verwendet werden“.
OpenStreetMap statt eigener Datenbank
Komoot setzt voll auf OpenStreetMap, und laut Hallermann reicht diese Plattform auch komplett aus, um die Betretungseinschränkungen abzubilden. Er sieht die zuständigen Verantwortlichen der natursensiblen Regionen in der Pflicht. Es reiche nicht aus, die Flächen dieser Gebiete zu digitalisieren und mit den Betretungsbeschränkungen zu kombinieren. Denn erstens überlagern sich zahlreiche natursensible Gebiete mit unterschiedlichen Einschränkungen, und zweitens führen immer wieder Straßen und Wege hindurch, die von diesen Beschränkungen ausgenommen sind. Für eine konkrete Besucherlenkung müsse also jeder Weg mit den entsprechenden Merkmalen digitalisiert werden. „Das ist eine Menge Arbeit, aber sie wird notwendig sein. In Tirol beispielsweise wird es schon so angegangen“, so Hallermann.
Starke Portale und schwammige Verbote
Viele Naturnutzer richten sich inzwischen nach Outdoor-Portalen, und hier kann sich gerade Markus Hallermann im Segment der Radtouristen über weiteres Wachstum freuen. Nach der aktuellen ADFC-Radreiseanalyse nutzen 44 % der Radreisenden unterwegs komoot (im Vorjahr waren es 32%), es folgen Google Maps mit 32 % und Outdooractive mit 9,5 %.
Eine erfolgreiche Besucherlenkung in natursensiblen Gebieten könnte also durchaus vom Angebot entsprechender Daten in den häufig genutzten Portalen beeinflusst werden. Ob die bestehenden Betretungsregelungen immer sinnvoll sind, ist eine andere Frage. Nach Meinung der DIMB (Deutsche Initiative Mountainbike), des ADFC und weiterer Natursportverbände gilt es beispielsweise, das pauschale Fahrverbot abseits von 2 Meter breiten Wegen in Baden-Württemberg durch wirklich sinnvolle Regelungen zu ersetzen. Für eine „Vereinfachung der Rechtslage zum Betretensrecht des Waldes“ stehen seit März 2019 Impulse und Empfehlungen der Bundesplattform „Wald –Sport, Erholung, Gesundheit“ (WaSEG)“ zur Verfügung.
Die Digitalisierung muss dabei auch andere Hürden nehmen. Wo ein konkretes Verbotsschild steht, kann man einen Weg auch deutlich als Verbot taggen. Viele Verordnungen oder Gesetze nutzen allerdings unbestimmte Rechtsbegriffe wie „befestigte Wege“ oder „geeignete Wege“, die in Geodatenbanken nicht einheitlich zugeordnet werden können.
Update (15.3.2020):
Im Nachgang zu unserem Interview bat Markus Hallermann um den ergänzenden Hinweis, „dass komoot solche Beschränkungen auf OSM Wegebasis beispielsweise seinen Nutzen bereits anzeigt . Dann wird noch klarer, dass wir/die Plattformen tatsächlich wollen und die Lösung mit OSM auch schon vorhanden ist.“