Immer mehr Verkehrsunfälle entstehen durch die Nutzung von Smartphones, Tablets und anderen portablen Geräten während der Fahrt. Verkehrsexperten sprechen sich daher für höhere Strafen bis hin zum Fahrverbot aus. Auf dem 55. Deutschen Verkehrsgerichtstag befasst sich ein eigener Arbeitskreis mit der Unfallursache Smartphone am 26. Januar in Goslar.
Arbeitskreis Unfallursache Smartphone
Einer der Referenten des Arbeitskreises ist der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e.V. (DVR) Christian Kellner. Er sagt: „Multitasking ist ein Mythos; der Mensch ist nicht in der Lage, eine Vielzahl von Reizen nebeneinander zu verarbeiten„. Viele der Autofahrer seien sich „des großen Risikos überhaupt nicht bewusst, dass sie durch die Nutzung der Geräte eingehen.“
Gefahren durch die Nutzung von technischen Geräten während der Autofahrt sind nicht erst seit den spektakulären Unfällen durch das Spiel Pokémon GO bekannt. Posten, Twittern, Texten und Googeln sind heutzutage von den meisten Menschen immer und überall gewünscht und werden häufig selbst bei hohem Tempo auf Autobahnen praktiziert. Gesellschaftlich ist dies zudem akzeptiert und so sucht der Arbeitskreis Wege aus dem Dilemma.
Aktuelle Studien der Verkehrspsychologie
Weitere Referenten sind der Richter Gerhard Thelen vom Amtsgericht Neuss, sowie der Professor für Ingenieur- und Verkehrspsychologie Mark Vollrath der TU Braunschweig. Auch diese werden die Gründe für die Zahl der durch Ablenkung steigenden Unfälle erörtern. So zeigen die in den letzten beiden Jahren entstandenen, ersten groß angelegten Beobachtungsstudien von deutschen Autofahrern, inwiefern Ablenkung das Fahren beeinträchtigt. Die Häufigkeit mit welcher gerade die Nutzung von Smartphones mit ihren Apps, Chats und WhatsApp zu Unfällen führe, ist dabei beunruhigend.
Durch den modernen Umstand ständig erreichbar sein zu wollen, fällt die Abwägung zwischen dem Verbot oder der Nutzung eines Mobiltelefons häufig zugunsten der Kommunikation aus. Das Maß der Beeinträchtigung des Fahrverhaltens ist durch die Ablenkung auf der einen Seite, als auch die sozial-emotionalen Inhalte auf der anderen Seite, erheblich.
Die vorgestellten Studien sollen ebenfalls verdeutlichen, dass die aktuellen Verkehrsregeln der schnellen Entwicklung der modernen mobilen Kommunikationsmittel nicht mithalten können und somit nicht mehr zeitgemäß sind. Um zu mehr Verkehrssicherheit beizutragen wird der Arbeitskreis erörtern, wie Technik und Marketing durch Prävention und Repression zu mehr Verkehrssicherheit beitragen können.
Anpassung des Handyverbotes
Hauptaugenmerk des Arbeitskreises wird insgesamt die Anpassung des Handyverbots sein, um dieses auf den modernen und sich ständig weiterentwickelnden Stand der Kommunikationstechnik abzustimmen. Erfahrungen zeigen dabei, dass der Punkt in Flensburg den Nutzer eher zur Vernunft verhilft, als die Höhe des drohenden Bußgeldes. Der geltende Sanktionsrahmen wird demnach auf die Probe gestellt und dabei überlegt, wie dieser erweitert werden kann. Dies könnte Folgen bis hin zu einem Fahrverbot bei Wiederholungstätern mit einschließen.
Auch der ADAC empfiehlt beim Thema Smartphone und Co. im Auto: „Der Fahrer sollte während der Fahrt Smartphone-Funktionen nicht nutzen. Jede Ablenkung vom Straßenverkehr erhöht das Risiko von schweren Unfällen und damit die Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer.“ Ausschlaggebend für diesen Hinweis war ein Test des ADAC in dem die Kompatibilität zwischen Smartphones und Kleinwagen untersucht wurde. Ziel war es dabei die Funktionen möglichst so zu integrieren, dass sie im Auto keine weitere Ablenkung bringen.
Automobilclubs ADAC und AvC
Entsprechend sagte auch die ADAC-Expertin Kristina Benecke: „Viele Fahrer hätten die Illusion, die Situation jederzeit unter Kontrolle zu haben.“ Demnach empfehle auch der ADAC den bisherigen Rahmen der Sanktionen zu überdenken und dabei über Fahrverbote zu sprechen. Zudem empfiehlt der ADAC das derzeitige Handyverbot auf alle mobilen Kommunikationsgeräte auszuweiten.
Auch der Automobilclub von Deutschland (AvD) hat eine „dramatische Zunahme des Phänomens“ beobachtet. Nach einer Befragung im Zuge einer Untersuchung des AvD hat ergeben, dass 53 Prozent der Befragten während der Fahrt schon einmal Nachrichten eingetippt haben. Das Lesen von Nachrichten während der Fahrt bestätigten sogar 72 Prozent der Probanden.
Hersteller in Verantwortung einbeziehen
Kellner spricht für den Verkehrssicherheitsrat und plädiert für mehr Kontrollen. Auch die Einziehung des benutzten Kommunikationsmittels wird ein Thema sein, da dieses nach einem Unfall mögliche Informationen über die Benutzung hergeben könnte. Zusätzlich sollten die Hersteller verpflichtet werden, entsprechende Funktionen in die Geräte einzubauen um eine Nutzung während der Fahrt zu unterbinden, so Kellner. Klagen in den USA stellen Forderungen dieser Art bereits an Apple. Das Unternehmen hält ein entsprechendes Patent, welches beschreibt, wie bestimmte Funktionen des Smartphones während der Fahrt gesperrt werden könnten.
Es wird sich zeigen, welche Ideen die Tagung hervorbringt. Eine solide Idee stammt bereits jetzt von der ADAC-Expertin Benecke: „In Fahrzeugen verbaute Geräte sollten so gestaltet sein, dass die Bedienung nicht mehr ablenkt als das Setzen des Blinkers oder Bedienen des Radios.„