Zivile Nutzung von Galileo voraussichtlich ab 2020 möglich

Das europäische Navigationssystem Galileo soll voraussichtlich ab 2020 vollständig für die zivile Nutzung verwendet werden können. Erste Anwendungen könnten ab 2015 zum Einsatz kommen …

In fünf Jahren soll das globale Satellitennavigations- und Zeitgebungssystem Galileo als Alternative zum Global Positioning System (GPS) für die zivile Nutzung an den Start gehen. Von den geplanten 30 Satelliten sind seit Ende März 8 in ihren Umlaufbahnen, im Herbst sollen zwei weitere hinzukommen. Wenn alles nach Plan läuft und die je 40 Millionen teuren Geräte funktionstüchtig ihr Ziel erreichen, sind genügend Satelliten im All, um bereits 2016 erste Anwendungen nutzen zu können.

Satelliten

Für Testläufe bereits jetzt verfügbar

Damit die Umstellung auf Galileo reibungslos vonstatten gehen kann, haben Unternehmen und Forschungseinrichtungen bereits jetzt die Möglichkeit, die Technik mit Galileo-Navigationssignalen zu testen. Am 22. Mai 2015 hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die letzten GATE-Testeinrichtungen in Betrieb genommen. GATE steht für GALILEO Test- und Entwicklungsumgebung.gate1_l In diesen Umfeldern werden mithilfe von stationierten Sendern, die als virtuelle Satelliten dienen, mögliche Szenarien simuliert, die sich innerhalb des Galileo-Navigationssystems ergeben könnten. Die im Mai eröffneten GATES sollen gemeinsam mit der GATE in Berchtsgaden, der „sea GATE“ in Rostock und der „aviation GATE“ in Braunschweig die Nutzung des Navigationssystems vorbereiten. Es soll neben dem Land- auch für den See- und Luftverkehr verfügbar sein. In den Testgebieten sind von den Forschern sogenannte Pseudoliten stationiert worden. Das sind fest installierte, mit einer Antenne ausgestattete Signalgeneratoren, die neben der Nutzung als Testobjekte auch gut geeignet sind, um Signale an Orte zu senden, die von den Satelliten schlecht erreicht werden können, wie etwa Tunnel oder Straßenschluchten zwischen Hochhäusern.

USA und EU haben Kompatibilität von GPS und Galileo vereinbart

Bereits 2004 haben die Europäische Union und die USA ein Abkommen abgeschlossen, das die Kompatibilität und die Interoperabilität beider Systeme gewährleistet. Dadurch benötigen Navigationsgeräte keine neue Empfänger, für viele ältere Geräte wird jedoch ein Update der Firmware notwendig sein. Es ist anzunehmen, dass Hersteller von Navis und Smartphones ihre Geräte ab 2020 bereits mit Galileo Unterstützung ausliefern werden.

Galileo soll auch für Wasser- und Luftverkehr genutzt werden

Galileo wird nicht nur für die Navigation im Straßen-, sondern auch im Schienen- und im Flugverkehr zum Einsatz kommen. Mit der Satellitentechnik können Güterwaggons autonom hin- und herrangieren und so die Sicherheitsintervalle zwischen zwei Zugfahrten verkürzen. An Stauenden kann das System genutzt werden, um Auffahrunfälle zu vermeiden. Oliver Funke, Gates-Projektleiter im DLR Raumfahrtmanagement zufolge kann die Technik direkt mit dem Beginn des Projektes zum Einsatz kommen.

Galileo kanm Schiffe steuern
Bild: © MUNIN / Frauenhofer

Perspektivisch sollen das Navigationssystem auch genutzt werden, um Flugzeuge autonom starten und landen zu lassen sowie Schiffe und Schienenfahrzeuge führerlos zu steuern. Das mag sich nach Zukunftsmusik anhören aber bereits jetzt konzipieren Forscher der technischen Universitäten Braunschweig und München unter dem Projektnamen C2Land einen Prototyp für ein Flugzeug, das automatisches Landen ermöglicht. Die Entwicklung soll innerhalb der nächsten 2 Jahre abgeschlossen sein.

Mit „Galileo Online: GO“ arbeitet das DLR Raumfahrtmanagement an einem Vorhaben, um den Empfang für Züge zu verbessern. Fahren diese beispielsweise durch einen Tunnel, so kommt es zu einer Signalunterbrechung. Bis die Bahn anschließend wieder genügend Satelliten gefunden hat, können bis zu 30 Sekunden vergehen. Mit Galileo Online: GO soll ein Empfangssystem zur Verfügung stehen, mit dem die Signalbereitschaft schneller wieder gewährleistet werden kann. Dabei misst der Empfänger die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des Zuges. Durch interaktives Kartenmaterial kann dann bestimmt werden, wann genau er den Bereich, den die Satelliten nicht erreichen können, beispielsweise einen Tunnel, verlässt. Gleichzeitig berechnet das System die Position und Geschwindigkeit des Satelliten, so dass dieser zum Zeitpunkt des Austritts des Zuges die Signale optimal empfangen werden können. Außerdem soll es zusätzliche Informationen wie Wartungsdaten weiterleiten können. Von dem System kann letztlich auch der Fahrgast profitieren, da effektiver über Reiseverlauf, Anschlusszüge oder Verspätungen berichtet werden kann.

In Zukunft auch autonomes Fahren für PKW?

Ein ferner Blick in die Zukunft eröffnet auch Aussichten auf das autonome Fahren von Straßenfahrzeugen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das System Positionen auf wenige Zentimeter genau bestimmen kann. Galileo schaffte in einem ersten Test mit 4 Satelliten jedoch lediglich eine Genauigkeit von 8 Metern. Dennoch könnten Navigationssysteme damit bereits jetzt effektiver genutzt werden als GPS-Geräte. Die erfassen zwar 6-8 Satelliten, haben jedoch nur eine Genauigkeit von etwa 10 Metern. Über DGPS steht zwar ein Verfahren zur milimetergenauen Vermessung zur Verfügung, dies ist jedoch auf kommerzielle Zwecke ausgerichtet und nicht für den flächendeckenden Gebrauch geeignet.

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Bild: © Rinspeed

Neben der Navigation ist auch geplant, das Satellitensystem zu nutzen, um Notleidende präzise aufspüren zu können. Dadurch können Menschen, die in Bergen, auf dem Meer oder in entlegenen Gebieten verunglückt sind, schneller gerettet werden.

Vorteile Galileo gegenüber GPS

  • nicht unter militärischer, sondern ziviler Kontrolle
  • mit anderen Navigationssystemen kompatibel
  • Polregionen können besser erfasst werden
  • 10mal bessere Ortungsgenauigkeit
  • größere Flughöhe ermöglicht besseren Empfang, etwa in Häuserschluchten
  • größere Wahrscheinlichkeit, Signale von vier Satelliten gleichzeitig zu empfangen (notwendige Mindestanzahl für fixe Positionsbestimmung)
  • Zwei-Wege-Kommunikation ermöglicht nicht nur Empfangen, sondern auch Senden

Galileo häufig Kritik ausgesetzt

Das europäische Prestigeprojekt stand in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik, da es häufig zu Pannen gekommen ist. So konnten zum Beispiel zwei Satelliten die gewünschte Flughöhe nicht erreichen, da der Treibstoff eingefroren war. Sie bewegen sich nun auf einer elliptischen statt einer kreisrunden Bahn um die Erde und befinden sich nicht konstant auf der Wunschhöhe von 23.522 km, sondern mal 2.700 Kilometer zu hoch, mal 9.500 Kilometer zu tief. Nutzbar sind sie dadurch nicht.

Das teuerste Industrieprojekt Europas sollte ursprünglich insgesamt 5 Milliarden Euro kosten, bereits jetzt hat es 6 Milliarden verschlungen. Bis 2020 sollen weitere 7 Milliarden hinzukommen. Auch der Zeitpunkt, an dem Galileo nutzbar sein sollte, wurde immer wieder verschoben. Ursprünglich sollte das Navigationssystem bereits 2011 startklar sein.

2 Kommentare zu “Zivile Nutzung von Galileo voraussichtlich ab 2020 möglich

  1. Es gibt in anderen Quellen die Information, daß nur geräte mit bestimmten Qualcom Prozessoren per Softwareupdate kompatibel zu Galileo geschaltet werden können. Heißt das nun, daß alle anderen Navis und Handies nun Schrott sind?

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