Seit Jahrtausenden navigieren und orientieren sich Menschen auf der Erde anhand der zyklisch verlässlichen Gestirne am Himmel.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik haben jetzt eine Navigationstechnologie vorgestellt, die sich Neutronensterne, sogenannte Pulsare, zur Navigation im Weltall als Vorbild nimmt.
Dabei beruht die Methode auf den periodischen Signalen der Pulsare. Professor Werner Becker stellte dieses Verfahren Ende März 2012 auf dem National Astronomy Meeting in Manchester vor.
Insbesondere Raumsonden sollen von dieser interstellaren Navigation profitieren. Aber auch irdische Navigationssysteme könnten mit diesem Wissen verbessert werden.
Derzeitige Navigationssysteme für Raumsonden basieren auf Laufzeitmessungen von Radiosignalen von der Erde aus, wofür man zum einen mehrere Antennen auf der Erde benötigt und zum anderen mit immer größer werdendem Abstand der Raumsonde zur Erde immer ungenauere Messungen vornehmen kann. Eine von der Erde unabhängige und damit autonome Methode mit Pulsarsignalen könnte dieses Vorgehen in Zukunft ergänzen oder sogar ablösen.
Was sind Pulsare?
Pulsare sind sehr schnell, aber äußerst regelmäßig rotierende Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern, die wie bei der Erde zwei Pole besitzen. Ein Neutronenstern wiederum ist der kompakte Überrest eines einst massereichen Sterns, der, nachdem er seinen nuklearen Kernbrennstoff aufgebraucht hat, in einer Supernova explodiert ist. Er hat die Masse einer Sonne, jedoch einen Durchmesser von nur 20 Kilometern (Durchmesser der Sonne: 1,39 Millionen km)* und stellt somit eine stark verdichtete Kugel dar.
Der Stern sendet permanent geladene Teilchen aus, hauptsächlich Elektronen und Positronen, die sich entlang der Magnetfeldlinien bewegen. Die Teilchen wiederum geben auf ihrem Weg gebündelte Strahlung in allen möglichen Bereichen des Spektrums ab, von Radiowellen bis hin zum Gammalicht und lassen die eng gebündelte Strahlung wie schmale Lichtkegel eines Leuchtturms aussehen.
Da der Neutronenstern selbst rotiert und die Rotationsachse von der Magnetfeldachse abweicht, streifen diese Strahlungskegel wie die Signale oder Impulse eines Leuchtturms durch den Weltraum. Für einen Beobachter scheinen solche Objekte zu pulsieren; daher auch der Name Pulsar.
Navigationssystem basiert auf Phänomen der Pulsare
Am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) entwickelten die Wissenschaftler auf Basis dieses Phänomens ein Navigationssystem für Raumfahrzeuge, das auf der periodischen Emission von Röntgenstrahlung einiger Pulsare beruht. Die regelmäßig ausgesandten Signale können zur Positionsbestimmung, analog zur GPS-Navigation auf der Erde verwendet werden, da deren zeitliche Stabilität mit der von Atomuhren vergleichbar ist.
Vergleicht man die an Bord gemessenen Puls-Ankunftszeiten mit den vorhergesagten Ankunftszeiten an einem Referenzpunkt, so kann die Position der Raumsonde mit einer Genauigkeit von wenigen Kilometern bestimmt werden – überall im Sonnensystem und weit darüber hinaus, so der Wortlaut der Pressemitteilung des MPE.
Für die Navigation durch unsere Galaxie wäre damit gesorgt. Allein die Forschung der Antriebstechnik rückt diese Art von Reisen in weite Ferne. Doch das MPE führt weiter aus, dass dieses Navigationssystem auf Grundlage von Pulsarsignalen schon bald für Raumsonden zum Einsatz kommen könnte – vor allem wenn in 15 bis 20 Jahren die gegenwärtig in Entwicklung stehenden neuen, leichtgewichtigen Röntgenspiegelsysteme zur Verfügung stünden. Prof. Becker nennt einige Beispiele: „Eine mögliche Anwendung dieser neuen Technologie besteht in der Unterstützung von Satelliten-Navigationssystemen wie GPS oder Galileo. Damit könnten diese Systeme autonom, d.h. unabhängig von Bodenstationen auf der Erde, betrieben werden. Auch eine autonome Navigation interplanetarer Raumsonden wird damit möglich. Dies könnte bereits für eine bemannte Mission zum Mars von Interesse sein.“
*Angabenänderung am 27.04.2012 11:34