Nokia und Microsoft haben heute eine strategische Partnerschaft bekannt gegeben. Nokia will denmächst seine höherwertigen Smartphones mit dem Betriebssystem Windows Phone 7 ausrüsten und mit Symbian nur noch Low Budget Produkte betreiben.
Damit reagiert Nokia auf zurückgehende Marktanteile seiner High-End Symbian-Geräte. Zuletzt schrumpfte Nokias Anteil trotz wachsender Absatzzahlen nach Angaben des Marktbeobachters Gartner von 36,4% auf 28,9%, und Symbians Markanteil ging von 46,9% auf 37,6% zurück. Auch Microsoft erhofft sich aus der neuen Allianz neue Impulse für sein lahmendes Betriebssystem Windows Phone 7, das zuletzt weltweit mit zwei Millionen ausgelieferten Geräten lediglich 4,2% Marktanteil einfuhr.
Beide Giganten müssen sich bei der Einschätzung des Smartphone-Marktes Fehler vorwerfen lassen und haben Trends verschlafen. Microsoft sah vor noch gar nicht so langer Zeit die Zukunft von Smartphones im Business-Bereich und unterschätzte den Zug zu eierlegenden Wollmilchsäuen mit starken Multimedia-Eigenschaften vor allem beim Privatanwender. Als Microsoft im Herbst 2010 mit Windows Phone 7 lange nach iOS und Android endlich ein taugliches Betriebssystem präsentierte, war es fast zu spät. Nokia wiederum sah in Touchscreen-Handys wie dem iPhone verächtlich einen „Nischenmarkt″ und hatte sich damit gründlich verschätzt. Zudem setzte das finnische Unternehmen weiterhin auf Symbian, das zwar inzwischen auch per Finger bedienbar ist, aufgrund der immer noch relativ komplizierten, tief verschachtelten Menü-Struktur gegenüber den intuitiven Android und iOS immer mehr an Boden verlor.
Analysten gehen davon aus, dass es sich weniger um die Partnerschaft zweier Riesen als vielmehr um eine Angst- oder Notgemeinschaft handelt und bezweifeln, dass die Aufholjagd zu Android/Google, iPhone Co von Erfolg gekrönt sein wird. Sie sehen in der neuen Gemeinschaft ein Scheitern von Nokias bisheriger Strategie und einen Offenbarungseid. Nokia zeichnete sich bisher durch eigenständige Geräte mit starker Marken-Wiedererkennung aus, da Hard- und Software in einer Hand lagen. Diese Eigenständigkeit könnte Nokia nun verlieren. Microsoft hingegen gewinnt einen gewaltigen, zuverlässigen Endgeräteabnehmer sowie eine weiteres Instrument zur Verbreitung von Bing und seiner Werbeplattform adCenter. Marktbeobachter sehen daher Microsoft als wesentlichen Gewinner der neuen Allianz. Andererseits ist davon auszugehen, dass Nokia künftig von Microsoft bevorzugt bedient werden wird und so vor allen Konkurrenten Geräte und Betreibssystem frühzeitig abstimmen kann, was einen nicht unerheblichen Marktvorteil bedeutet.
Um zu retten, was noch zu retten ist, will Nokia nun entgegen bisherigem Usus sogar Symbian an andere Hersteller lizenzieren, was vor allem auf asiatische Billighersteller zielt. Analysten sehen jedoch den sogenannten Feature-Phone-Markt (Billig-Handys) zum Sterben verurteilt. Zuldem hatte Nokia die Einführung seiner Flaggschiffe E7 und E8 voreilig angekündigt, immer wieder nach hinten verschoben und so selbst eingefleischte Nokia-Kunden verprellt.
Zu allem Übel haben beide Riesen den App-Markt glatt verschlafen. 8,2 Mrd. Apps im Wert von 5,2 Mrd. USD wurden 2010 heruntergeladen, 90 % gingen dabei auf Apples Konto. 2011 sollen Apps im Wert von geschätzten 15,1 Mrd. USD Smartphone-Besitzer erfreuen. Windows Marketplace und Nokias Ovi Store fallen kaum ins Gewicht und werden auch weiter nur eine untergeordnete Rolle spielen. Zwar könnte aus der Partnerschaft ein Synergie-Effekt entstehen, aber durch das langfristige Symbian-Sterben wird Ovi Store ebenfalls den Weg in die ewigen Jagdgründe gehen. Zudem ist fraglich, ob Microsoft fähige App-Entwickler binden kann oder ob diese zu Google/Android bzw. Apple/iOS abwandern.
Experten rechnen zwar nicht mit gemeinsamen Produkten vor Ende 2011 oder Anfang 2012, aber wer weiß, was der bevorstehende Mobile World Congress an Überraschungen parat hält. Nach Bekanntgabe von ″NokiaSoft″ blieb zwar Microsofts Aktie stabil, Nokia verlor jedoch 10%.
Über die neue Allianz wird süffisant ein Bonmot von Edgar Murtazin, Chefredakteur der russichen mobile-review, anlässlich der Fusion von Siemens Mobile und BenQ kolporiert: „Wenn man zwei Hennen zusammenbringt, wird daraus lange noch kein Adler.″
.